Die globalen Klimastreiks haben es geschafft, den Klimawandel zum Topthema politischer Debatten zu machen. Der Erfolg ist beachtlich. Auf den ersten Blick scheint die Klimabewegung auch inklusiv. Doch die Klimakrise betrifft nicht alle Menschen gleichermaßen. Ein Aspekt, der kaum thematisiert wird: Schwarze Menschen und People of Color (BPoC) sind überproportional von den Folgen der Klimakrise und Umweltverschmutzung betroffen. „Die Auswirkungen der über 500-jährigen Kolonialgeschichte werden bei der Klimadebatte nicht mitgedacht, dabei hängen sie mit der Klimakrise unmittelbar zusammen. Historisch und global gesehen, stehen eben nicht alle in derselben Verantwortung. Man muss sehen, wer es verbockt hat und den Klimawandel ursächlich in Gang gebracht hat und wer am meisten von dem Raubbau profitiert hat und profitiert. So, wie nicht alle gleich verantwortlich sind, sind auch nicht alle gleich von den Folgen des Klimawandels betroffen. Dafür braucht es ein Bewusstsein. Die Klimadebatte muss rassismus- und machtkritisch geführt werden“, sagt Tahir Della, Sprecher der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (Bund) e.V.
Die Solidarität darf nicht bei den Eisbären aufhören
Nicht nur global gesehen, sondern auch innerhalb westlicher Nationen, treffen die Folgen der Klimakrise und Umweltverschmutzung BPoC am stärksten. In den USA gibt es inzwischen den statistisch gestützten Begriff des Environmental Racism, der dieser Tatsache Rechnung trägt. Joshua Kwesi Aikins, Politikwissenschaftler und Aktivist bei dem BPoC Environmental and Climate Justice Collective Berlin sagt: „Auch hierzulande gibt es Indizien dafür, dass Menschen, die von Rassismus betroffen sind, auch stärker von den negativen Folgen von Umweltverschmutzung und der Klimakrise betroffen sind. Man braucht sich nur mal die Bevölkerungsstruktur am Görlitzer Bahnhof in Berlin anzusehen. Die Kreuzung an dem Bahnhof ist eine der giftigsten des Landes. Der Großteil der Bevölkerung, die hier lebt und starker Luft- und Umweltverschmutzung ausgesetzt ist, ist auch von klassistischer und rassistischer Diskriminierung betroffen – hier greifen unterschiedliche Diskriminierungsformen ineinander. Das ist kein Zufall, sondern auch Folge einer diskriminierenden Wohnungspolitik und der Ansiedlungsplitik der 1960er, in der sich Ausländer nicht aussuchen konnten, wo sie wohnen wollten.“
Das Environmental and Climate Justice Collective Berlin macht unter anderem deutlich, dass die Klimabewegung nicht nur weiß ist. „Aber die medial hervorgehobenen Repräsentant*innen der Klimabewegung sind es. Auch hier braucht es mehr Perspektiven und mehr Diversität, um das Thema in dem nötigen Umfang zu besprechen“, so Tahir Della. Gleichzeitig sei das Kollektiv aber nicht nur da, um die Debatte diverser zu machen: „Unsere Gruppe bringt auch Erfahrungswissen und andere Einblicke in die Auswirkungen der Klimakrise ein, weil mache von unseren Familien aus Regionen kommen, die seit Jahrzehnten und Teils seit Jahrhunderten unter kolonialer Ausbeutung von Mensch und Natur leiden – dort sind die Auswirkungen der Klimakatastrophe bereits deutlich spürbar”, so Aikins.
Um eine lösungsorientierte und ehrliche Debatte zu führen, muss auch die klimabewusste Ober- und Mittelschicht dringend aufhören, die moralische Keule über jeden zu schwingen, der es sich auf Grund mangelnder emotionaler und finanzieller Ressourcen nicht leisten kann, sein Hackfleisch in der Bio-Metzgerei zu kaufen. Das würde auch bedeuten, dass der Fokus in der Klimadebatte nicht mehr nur auf niedlichen Eisbären liegt, sondern auf der Solidarität und Zusammenarbeit mit den Menschen, die gestern, heute und morgen unter Rassismus, Klassismus und den Auswirkungen der Klimakrise am meisten leiden.