Auch 29 Jahre nach der deutschen Einheit wird die Wiedervereinigung immer noch hauptsächlich aus einer weißen westdeutschen und weißen ostdeutschen Perspektive betrachtet. Dabei war Deutschland vor und nach der Wende ein Einwanderungsland. In der ehemaligen DDR lebten rund 200.000 Ausländer*innen – in der BRD waren es rund 5 Millionen. Ihre Perspektiven kommen in den Debatten um die Wiedervereinigung kaum vor – ihre Erinnerungen bleiben ungehört.
Dabei eignet sich der Tag der Deutschen Einheit sehr gut dafür, um eine Mauer in den Köpfen einzureißen und endlich ein inklusives, deutsches Narrativ zu etablieren, das dem Einwanderungsland Deutschland gerecht wird. Es ist höchste Zeit, die Perspektiven der Migrant*innen und People of Color einzubeziehen. Das historische Ereignis der Wiedervereinigung hat auch uns, unsere Eltern und Großeltern in den Bann gezogen. Auch wir haben mitgefeiert, auch wir haben uns Sorgen gemacht, wie es weitergeht.
Auf die Hoffnung folgte Angst
Die Wiedervereinigung war auch für uns ein einschneidendes Ereignis. Die Freude endete abrupt, als unmittelbar nach der Wende die rassistische Gewalt in Ost- und West-Deutschland eskalierte. Die enttäuschten Hoffnungen und die rassistischen Erfahrungen haben sich in das Gedächtnis von vielen Bindestrichdeutschen gebrannt. Millionen Menschen warten auf ein Zeichen, dass ihre Erinnerungen und Perspektiven Raum bekommen und Teil des kollektiven gesamtdeutschen Gedächtnisses werden. Wenn diese Geschichten nicht erzählt werden, bleibt die Deutsche Einheit – bei aller Feierlichkeit – unvollendet.
Zeitzeug*innen aus Ost und West mit sogenanntem Migrationshintergrund, die sehr gerne ihre Erfahrungen zur Wendezeit teilen, gibt es genügend. Auf unserem Blog stellen wir Ihnen drei von ihnen vor.