– Pressemitteilung –
Das Einbürgerungsrecht ist das Fundament einer modernen Einwanderungsgesellschaft. Doch die Koalition versteht es offenbar eher als Sanktionsmittel für Rechtsbrüche“, kritisiert Ferda Ataman, Sprecherin des postmigrantischen Netzwerks neue deutsche organisationen (ndo). „Mit dem Migrationspaket von letzter Woche und der nun geplanten Staatsangehörigkeitsreform trägt die Koalition dazu bei, dass Migranten vor allem als Terroristen, Identitätserschleicher, Vielehe-Fans und Sozialschmarotzer wahrgenommen werden. Das ist fatal für das gesellschaftliche Klima. Vielmehr sollte die Koalition überlegen, wie sie für mehr Einbürgerungen wirbt: die Einbürgerungsrate liegt in Deutschland niedriger als in den meisten anderen europäischen Ländern.“ „Wir brauchen erleichterte und schnellere Einbürgerungen für neue deutsche Staatsbürger*innen und keine menschenrechtlichen Rückschritte“, sagt auch Meral El, Geschäftsführerin der ndo. Deswegen haben die ndo einen AUFRUF gestartet und zahlreiche Einzelpersonen sowie ein breites Bündnis aus zivilgesellschaftlichen Organisationen versammelt.
Zum Hintergrund:
Am 27. Juni soll der Bundestag eine Gesetzesänderung beschließen, mit dem das Staatsangehörigkeitsrecht deutlich verschärft und das Recht auf Einbürgerung verwässert wird. Wer sich einbürgern lassen möchte, muss schon heute mehrere Voraussetzungen erfüllen und unter anderem straffrei sein, deutsch sprechen, seinen Lebensunterhalt selbst erwirtschaften und ein Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes ablegen. Der neue Gesetzesentwurf erweitert diese konkreten Anforderungen um ein diffuses neues Kriterium: der „Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse“.
Offiziell will die Koalition wegen eines Falles (!) verhindern, dass Menschen in Vielehe ein Anrecht auf Einbürgerung haben. Doch statt das konkret im Änderungsantrag zu benennen, sollen Einbürgerungswillige künftig gewährleisten, dass sie sich „in deutsche Lebensverhältnisse“ eingeordnet haben. Dabei erläutert der Entwurf weder, was unter der Formulierung genau zu verstehen ist, noch, wie geprüft werden soll, wann diese „Einordnung“ erfolgt ist. Das öffnet das Tor zu willkürlichen Entscheidungen über Einbürgerungen.
Zudem sieht der Gesetzesentwurf vor, die Frist für den Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft von bisher fünf auf künftig zehn Jahre zu erhöhen. Dies soll gelten, wenn Deutsche im Einbürgerungsverfahren fehlerhafte Angaben gemacht haben – sogar dann, wenn das zur Staatenlosigkeit führt. Der Wertgehalt des Art. 16 GG wird mit dieser Regelung in Frage gestellt. Für immer längere Zeiträume bleibt ungewiss, wer dazugehört.
Ebenfalls neu: Wer sich einbürgern lassen möchte, muss einen lückenlosen Nachweis über seine*ihre Identität führen. Was im Regelfall ein wichtiges Kriterium ist, dürfte Geflüchtete vor eine unlösbare Herausforderung stellen, die aus Bürgerkriegssituationen stammen oder zum Verfolgerstaat keinen Kontakt aufnehmen können, um Unterlagen zu beschaffen. Die Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) hat daher speziell für anerkannte GFK-Flüchtlinge gefolgert, dass im Einbürgerungsverfahren derartige Schwierigkeiten zu berücksichtigt sind. Der neue Gesetzesentwurf der Regierungsfraktionen bleibt eine Härtefallregelung hingegen schuldig.
Das geplante Änderungspaket zum Staatsangehörigkeitsrecht rüttelt an dem mühsam erarbeiteten Fundament einer modernen Einwanderungsgesellschaft. Wir fordern die Bundestagsabgeordneten daher auf, dem Regelungspaket nicht zuzustimmen!