Es ist nicht mit rechtstaatlichen Prinzipien vereinbar, dass Menschen, die einer kriminellen Vereinigung mutmaßlich angehören oder angehört haben, abgeschoben werden können, obwohl sie keine nachweisbaren Straftaten begangen haben, so wie es der Entwurf vorsieht. Entgegen der medialen Berichterstattung bezieht sich der Vorstoß zwar nicht auf Familienmitglieder, sondern Angehörige organisierter Kriminalität. Es bleibt aber auch hierbei nicht ohne erhebliche juristische Bedenken:
„Bislang war ein solches Vorgehen nur zum Schutz überragend wichtiger Rechtsgüter, etwa zum Schutz der Sicherheit der Bundesrepublik vor Terrorismusgefahren sowie schwerer Straftaten, z.B. Mord und Totschlag, denkbar. Nun droht eine – im Zweifel allein durch die Ausländerbehörde gemutmaßte –§ 129-Angehörigkeit selbst bei leichten Delikten wie Körperverletzung, Sachbeschädigung oder Diebstahl ohne jede Verurteilung zur Ausweisung zu führen. Wer das 1×1 des Verfassungsrechts beherzigt, hat daher von diesem Diskussionsentwurf zügig Abstand zu nehmen.“, sagt Naziar Amin vom Postmigrantischen Jurist*innenbund.
Dabei stellt sich die Frage, warum gerade jetzt und auf diese Weise gegen die sogenannte‚ Clankriminalität‘ vorgegangen werden soll. Sogar polizeiliche Veröffentlichungen halten fest, dass ‚Clankriminalität‘ bei der Gesamtbetrachtung von Kriminalstatistiken kaum ins Gewicht fällt[1]. Allerdings ist laut diesen das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung von der Thematik betroffen.
In Anbetracht der bekannten gängigen Praxis von Ermittlungsbehörden, Familienmitglieder und Menschen aufgrund ihrer Nachnamen zu verdächtigen, muss das BMI juristisch wie auch politisch deutlicher klarstellen, wer zum Adressatenkreis dieser Maßnahme gehören soll.
Der Diskussionsentwurf des BMI befeuert die ohnehin rassistisch gefärbte Debatte um ‚Clankriminalität‘. Organisierte Kriminalität wird nun mit Geflüchteten in Assoziation gebracht; marginalisierte, migrantische Menschen werden dadurch (weiter) kriminalisiert.
Die ndo fordern das Bundesinnenministerium und Bundesinnenministerin Nancy Faeser auf, nicht weiter am rechten Rand zu fischen und Ängste gegenüber migrantischen Menschen zu schüren. Dies spielt rechten und rassistischen Narrativen in die Hände, und es macht (post-)migrantische Menschen zur Zielscheibe. Vielmehr braucht es eine Politik der sozialen Integration, durch die bestimmte Bevölkerungsgruppen nicht stigmatisiert und ausgegrenzt werden, sondern gesellschaftlicher Zusammenhalt geschaffen wird.
[1] LKA Niedersachsen, Lagebild Clankriminalität 2019, www.mi.niedersachsen.de/download/156118.