Am 1. Juli 2009 wurde Marwa El-Sherbini von einem Rechtsextremisten ermordet – während einer Verhandlung im Dresdner Landgericht. Zehn Jahre später ist antimuslimischer Rassismus noch immer ein wichtiges, jedoch politisch vernachlässigtes Thema. Aus der Leipziger Autoritarismus-Studie 2018 geht hervor, dass über 44 Prozent der Bevölkerung der Meinung sind, man solle Muslim*innen die Zuwanderung nach Deutschland untersagen. Demnach gehören Muslim*innen zu den am meisten abgelehnten Gruppen in Deutschland.
Obwohl der Islam längst zu Deutschland gehört, verschieben sich die Grenzen des Sag- und Machbaren über Muslim*innen in Deutschland. Allein 2018 wurden laut Bundesinnenministerium insgesamt 824 islamfeindliche Straftaten gezählt. Auch die Zahl der Verletzten durch Angriffe sind gestiegen. „Die Dunkelziffer liegt weit höher“, sagt Ozan Zakariya Keskinkılıç von der Salaam-Schalom Initiative. „Viele Betroffene trauen sich nicht, Anzeige zu erstatten und es fehlt an verlässlichen Mindeststandards zur Erfassung des antimuslimischen Rassismus.“
„Der rassistische Mord an Marwa El-Sherbini vor den Augen ihrer Familie ist schockierend. Der Täter konnte die schwangere Frau fast unbehelligt 18 Mal mit seinem Messer stechen, auch weil ein zu Hilfe eilender Polizist ihren Mann anschoss, nachdem er dachte, die Gefahr müsse vom Araber ausgehen. Diesen Mord können wir nicht vergessen. Es ist frustrierend, dass der Fall bis heute keine politischen Konsequenzen nach sich gezogen hat. Die Debatten kreisen eher darum, ob der Islam zu Deutschland gehört, statt darum, was wir gegen antimuslimischen Rassismus tun können“, sagt Ferda Ataman, Sprecherin der neuen deutschen organisationen.
Die neuen deutschen organisationen unterstützen die bundesweite Forderung aus Zivilgesellschaft und Praxis nach einer Expert*innenkommission zum antimuslimischen Rassismus. Islam- und Muslimfeindlichkeit sind nicht das Problem der Muslim*innen, sondern das der gesamten Gesellschaft. Wer gegen Muslim*innen hetzt, hat es mit großer Wahrscheinlichkeit auch auf Schwarze, Jüd*innen, Rom*nja, Geflüchtete und Sint*ezza abgesehen. Antimuslimischer Rassismus ist eng mit anderen Rassismen verknüpft. Wir rufen die Große Koalition auf, das Problem nicht weiter zu vernachlässigen, sich aktiv gegen alle Formen von Rassismus einzusetzen, und greifbare Schutzkonzepte und Präventionsmaßnahmen gegen rassistische Gewalt zu entwickeln.