20 Jahre Staatsangehörig-keitsrecht: Das „Bodenrecht“ feiert Jubiläum – und sollte ausgeweitet werden

Am 1. Januar 2000 ist das „Staatsangehörigkeitsrecht“ in Kraft getreten und löste das „Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz“ aus der Kaiserzeit ab.

Zum “Blutsrecht“ (ius sanguinis) kam das international gängige Geburtsortsprinzip hinzu (ius soli). Seit der Reform ist Deutsche*r, wer in Deutschland geboren wird und nicht nur, wer von deutschen Eltern abstammt. Ein Paradigmenwechsel, den es zu feiern und auszuweiten gilt.

Mit dem neuen Staatsangehörigkeitsrecht verabschiedete sich Deutschland vor 20 Jahren – zumindest rechtlich – vom Abstammungsfetisch und wurde eine moderne Einwanderungsgesellschaft. „Die Reform revolutionierte das Verständnis vom Deutschsein und war ein demokratiepolitischer Meilenstein – ohne sie wäre die Zahl der inländischen Ausländer*innen in der zweiten und dritten Generation weiter gestiegen. In einer Demokratie sollten sich Wohnbevölkerung und Staatsvolk aber so weit wie möglich überschneiden“, sagt Ferda Ataman, Sprecherin der neuen deutschen organisationen (ndo).

Die Einführung des neuen Staatsangehörigkeitsrechts war außerdem ein deutliches Signal an die gesamte Gesellschaft: wir sind ein Einwanderungsland. Und in Richtung der damaligen Ausländer*innen: ihr seid gewollt, ihr und eure Kinder könnt auch rechtlich Teil der deutschen Gesellschaft werden.

Die Reform vor 20 Jahren war eine historische Entscheidung, die unsere Gesellschaft vorangebracht hat. Nun muss der nächste Schritt folgen: Neugeborene sollten unabhängig vom Status ihrer Eltern deutsche Staatsbürger*innen werden. Bisher ist das noch an Voraussetzungen geknüpft (die Eltern müssen mindestens acht Jahre in Deutschland leben und eine unbefristet Aufenthaltserlaubnis haben).

Erst kürzlich belegte eine Studie des Ifo-Instituts, dass die Staatsbürgerschaft die Bildungschancen für Kinder mit sogenanntem Migrationshintergrund deutlich verbessert. Die Forscher*innen verglichen Kinder, die jeweils in den sechs Monaten vor und nach dem 1. Januar 2000 geboren wurden. Das Ergebnis: Die Schülerinnen und Schüler, die von Geburt an deutsche Staatsangehörige waren, besuchten häufiger einen Kindergarten, sprachen bei der Einschulung besser Deutsch, mussten seltener eine Klasse wiederholen und wechselten eher aufs Gymnasium. Das ist ein Indiz dafür, dass rechtliche Zugehörigkeit die gesellschaftliche Partizipation von Menschen mit Migrationsgeschichte steigert. „Wer sich zugehörig fühlt und seine Kinder als vollwertigen Teil der deutschen Gesellschaft sieht, ist offenbar noch motivierter, sich mehr um den Bildungserfolg der eigenen Kinder zu bemühen“, sagt Karim El-Helaifi, Sprecher der ndo.

Anstatt die Reform nach 20 Jahren als Fortschritt zu feiern und auszubauen, plant die Bundesregierung offenbar, die Einschränkungen für das Bodenrecht auszuweiten. Bereits 2019 wurden Rückschritte im Staatsangehörigkeitsrecht vorgenommen. Im Juni 2019 beschlossen die Regierungsparteien, Einbürgerungen zu erschweren und eine „Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse“ vorauszusetzen. Was diese „deutschen Lebensverhältnisse“ ausmacht, wird im Gesetzestext nicht definiert. Mit der schwammigen Formulierung öffnet die Regierung möglicher Behördenwillkür Tür und Tor, das Einbürgerungsrecht fällt zurück auf den Stand der 80er Jahre.