“Gemeinsam mit den ndo wollen wir uns für unsere Teilhabe und gegen soziale Ungleichheit einsetzen und für eine Gesellschaft, in der wir Alle ein Zuhause finden.” May Zeidani Yufanyi im Interview

Heute begrüßen wir unser zweites, neues Vorstandsmitglied, May Zeidani Yufanyi. May engagiert sich auf vielen Ebenen, sie ist u.a. Aktivistin und Vorstandsvorsitzende der Initiativen Berlin Muslim Feminists und Karawane der Migrant*innen. Sie ist Projektmitarbeiterin bei Inssan e.V. und Mitgründerin des Radioprojektes Talking Feminists bei reboot.fm. Außerdem ist sie Vorstandsmitsglied des Fördervereins The VOICE – Refugee Forum Germany. In unserem Interview erzählt sie uns, was die Ziele der Berlin Muslim Feminists (BMF) sind, welche Themen sie im Rahmen der ndo vorantreiben möchte und was für sie ganz persönlich ein Abenteuer ist. Herzlich willkommen, liebe May!

Bitte stelle dich kurz vor 

Ich bin May Zeidani Yufanyi, ich lebe in Berlin seit 18 Jahren (noch bevor es cool war) und komme ursprünglich aus Palästina-Israel. Ich lebe sowohl jüdisch als auch muslimisch mit sehr viel Iman und nicht sehr viel religiöser Praxis. Ich habe zwei wundervolle Kinder und einen Partner (auch wundervoll ;-). Ich bin Aktivistin, Soziologin, Trainerin und manchmal auch Künstlerin. Ich arbeite derzeit bei Inssan e.V. als Projektkoordination bei dem Netzwerk gegen Diskriminierung und Islamfeindlichkeit, wo wir Beratung, Dokumentation und Empowermentarbeit anbieten.

Erzähl’ uns bitte kurz von den Berlin Muslim Feminists (BMF) – was sind eure Ziele, was eure Motivation?

Als BMF bekennen wir uns zu einer muslimischen Ethik und engagieren uns für einen intersektionalen Feminismus. Unsere islamische Überzeugung ist es, dass wir in den Augen Gottes gleich sind:

“Und zu Gottes Zeichen gehört die Schöpfung der Himmel und der Erde und die Verschiedenartigkeit eurer Sprachen und Farben/eures Begehrens” Sure 30:22

Wir betrachten den Islam als ein unvollendetes Projekt sozialer Gerechtigkeit, das von uns verlangt, dass wir aktiv Solidarität betreiben und auch von der Dominanzgesellschaft fordern. Die Befreiung der Wenigen ist die Befreiung Aller, sowohl der Muslim*innen als auch der Nicht-Muslim*innen.

Feminismus intersektional – was ist die große Herausforderung für euch? Für viele Menschen widersprechen sich wahrscheinlich Muslim und Feminist – auf welchen Widerstand stoßt ihr und wie geht ihr damit um?

Der deutsche Staat unterdrückt muslimische Communities – durch Gesetze, die auf muslimische Frauenkörper abzielen, wie das so genannte “Neutralitätsgesetz”, durch die Staatspolitik, die unser Handeln und unsere politischen Ansichten überwacht und versucht, uns in “gute und schlechte” Muslim*innen zu teilen: So werden z.B. nur ”liberale Muslim*innen” als die “richtige Art von Muslim*innen” geduldet, zur Mitsprache aufgefordert und Schutz in der demokratischen Gesellschaft geboten.

Diese Repression gefährdet die am stärksten marginalisierten Teile unserer Community – Frauen, Trans, inter- und Queers, Kinder, Schwarze Muslim*innen, Asiat*innen, Indigene und andere  marginalisierte Geschwister.

Wenn wir ständig gegen Anfeindungen und Angriffe auf unsere Identität reagieren müssen, können wir nicht an uns und für uns selbst arbeiten. Wir sind die Ersten, die Misogynie, patriarchale Strukturen und Rassismen in unseren Communities (genauso wie ALLE anderen Communities in dieser Gesellschaft, zu denen mitunter auch Weiße gehören) kritisieren. Wir brauchen Ressourcen, um dem entgegenzuwirken – und dieses Wirken muss innerhalb unserer Communities erfolgen, es sollte nicht von außen, seitens gut meinender Sozialarbeiter*innen, Politiker*innen und Entscheidungsträger*innen gesteuert werden.

Als im Globalen Norden verortete internationalistisch orientierte Gruppe bekräftigen Solidarität mit unseren Schwestern* und Geschwistern in der ganzen Welt, die in Kriegsgebieten unterdrückt werden und in Flüchtlingslagern unter neokolonialer Besatzung und autoritären Regimen leben müssen. Wenn sie nicht Frei sind, sind wir es auch nicht.

Welche Themen möchtest du auch im Rahmen deiner Arbeit für die ndo besonders nach vorne treiben? / Was wünscht du dir von der ndo-Community? 

Vor allem ist es uns wichtig, die Zusammenarbeit mit anderen marginalisierten Gesellschaftsgruppen aktiv anzugehen. Das heißt für uns, dass wir uns stets auf Vernetzung hinarbeiten – mit etablierten Institutionen sowie neuen kleinen und lokalen Initiativen gegen soziale Ungleichheit, mit Antidiskriminierungsstellen sowie mit kleinen Moscheen, mit unseren Schwestern* und Brüdern* in den verschiedenen Communities.

Gemeinsam mit den neuen deutschen organisationen wollen wir unsere Teilhabe an dieser Gesellschaft stärken, um all das oben Genannte und viel mehr zu ändern und uns für eine Gesellschaft einzusetzen, in der  wir Alle ein Zuhause finden.

Und mal ganz ab von den ndo: Was war dein bisher größtes Abenteuer?

Abenteuer ist eine relative Sache.

Manche werden sagen, die Woche auf einem Segelboot in den norwegischen Fjorden war ein Abenteuer. Oder damals als ich von der Grenzpolizei mit 17 aufgehalten wurde, weil ich mein Visum überzogen habe und dann auf einem Schiff nach Estland mit einer Gruppe litauischer Student*innen Party gemacht habe, weil ich ja sowieso nicht zurück in die EU konnte…

Oder die viele Demonstrationen in Ost-Jerusalem, wo wir in Tränengas praktisch gebadet haben…

Aber ehrlich gesagt, ist das größte Abenteuer für mich das Menschsein, und menschlich zu bleiben in einer Welt, die uns täglich verhärten lässt…