Maaßen ist rechts – aber seit wann eigentlich?

Offenbar halten manche nicht nur „mit Rechten reden“ für eine gute Strategie, sondern auch Rechte zu befördern.

Ein Kommentar von Kaveh Kooroshy zur Karriere eines ehemaligen Verfassungsschutzchefs

Ob er es, wenn er noch im Amt wäre, als Hinrichtung bezeichnen würde? Den Mord am CDU-Politiker Walter Lübcke. Oder würde Hans-Georg Maaßen so etwas sagen, wie „Nach meiner vorsichtigen Bewertung sprechen gute Gründe dafür, dass es sich um eine gezielte Falschinformation handelt“ (1), um die Öffentlichkeit von dem abzulenken, was eigentlich passiert sei? So wie er es vergangenen September in Sachen Chemnitz getan hat, als die Bundeskanzlerin von Hetzjagden in der Chemnitzer Innenstadt sprach und Maaßen darin ein Ablenkungsmanöver (2) erkannte, von dem Mord an einem Deutschen, mutmaßlich durch einen Geflüchteten.

Dass der ehemalige Verfassungsschutzpräsident jetzt, rund drei Monate vor den Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen die Öffnung der CDU für Koalitionen mit der AfD ins Spiel bringt (3), verwundert heute irgendwie auch nicht mehr. Dafür war die Nummer mit den Hetzjagden als Präsident des Verfassungsschutzes dann doch zu krass.

Was aber wirklich verwundern sollte, ist, wie so ein Beamter es so weit geschafft hat? Referatsleiter im Innenministerium. Präsident des Verfassungsschutzes. Hat denn niemand bemerkt, wie seine politischen Positionen sind? Also ist zum Beispiel dem damaligen Bundesinnenminister Otto Schily etwas aufgefallen, als er mit seinem damaligen Referatsleiter (4) Maaßen 2002 die Freilassung des unschuldig (5) in Guantanamo einsitzenden Murat Kurnaz zu verhindern versuchte? Maaßen wollte damals dem in Deutschland lebenden Kurnaz sein Aufenthaltsrecht aberkennen lassen, weil der Guantanamo-Gefangene ja über sechs Monate nicht mehr in Deutschland war. Und hätte dieser kein Aufenthaltsrecht in Deutschland, hätte Deutschland das Problem nicht mehr – die bestechend einfache Logik. Kurnaz wäre, obwohl längst klar war, dass er unschuldig war, in Guantanamo geblieben. Pragmatismus? Oder eine gewisse Gleichgültigkeit gegenüber dem in Deutschland geborenen „Migranten“? Hat sich Schily damals gewundert? Ist ihm was aufgefallen? Etwa eine Haltung, die dem Selbstverständnis der Regierung (damals rot-grün) widersprach?

Spätestens als Hans-Georg Maaßen 2012 Präsident des Verfassungsschutzes werden sollte, hätte sich die Frage nach der politischen Haltung des Mannes zwingend gestellt. Schließlich musste ja sein Vorgänger gerade deshalb gehen, weil der NSU-Komplex öffentlich aufgearbeitet wurde und die Verstrickungen des Verfassungsschutzes in die rechtsextreme Szene Deutschland beschäftigten. Das Anforderungsprofil des Amtsnachfolgers war also keineswegs „Hang nach rechts“. Ist denn da der Schwarz-Gelben Regierung nichts aufgefallen? Oder zumindest dem für den Verfassungsschutz zuständigen CSU-Innenminister Hans-Peter Friedrich?

Das Ding ist doch: entweder Hans-Georg Maaßen ist plötzlich rechts geworden. Oder es ist seit Jahrzehnten und völlig unabhängig davon, welche Regierung gerade an der Macht ist, kein Hindernis, rechts zu sein, um Karriere zu machen. Auch Thilo Sarrazin mauserte sich in der einst linken SPD (siehe oben) immerhin zum Berliner Finanzsenator, bevor er plötzlich anfing, Bücher zu schreiben. Hat denn der gute alte Wowi nichts gemerkt?

Oder gibt es da nichts zu bemerken, weil handfeste Ressentiments gegen Minderheiten im deutschen Politikbetrieb schlicht keine Ausnahme sind und von der Mehrheitsgesellschaft toleriert werden? Sicher ist jedenfalls, dass der Amtsbonus, den Sarrazin und Maaßen mitgebracht haben, und den CDU und SPD mit zu verantworten haben, ihnen ordentlich geholfen hat. Denn ohne den wären die beiden nur das, was sie eigentlich sind: zwei weitere Hardliner, die mit der AfD symphatisieren.

 

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(1) Die Zeit vom 10.09.2018: www.zeit.de/politik/deutschland/2018-09/chemnitz-hans-georg-maassen-hetzjagd-beweise-horst-seehofer
(2) Die Zeit vom 10.09.2018: www.zeit.de/politik/deutschland/2018-09/chemnitz-hans-georg-maassen-hetzjagd-beweise-horst-seehofer
(3) Deutschlandfunk vom 16.06.2019: https://www.deutschlandfunk.de/hans-georg-maassen-cdu-koalitionen-mit-der-afd-man-weiss-nie.1939.de.html?drn:news_id=1017720
(4) SZ vom 18.07.2012: www.sueddeutsche.de/politik/designierter-praesident-des-verfassungsschutzes-technokrat-als-reformator-1.1415269
(5) Abschlussbericht CIA-Untersuchungsausschuss des Europaparlamentes von 2007: www.europarl.europa.eu/comparl/tempcom/tdip/final_report_de.pdf