Was bedeutet die Arbeit bei xart splitta für Dich und was heißt es für Euch, ndo-Mitglied zu sein?
Für mich bedeutet die Arbeit bei xart splitta vor allem Räume zu schaffen, in denen Empowerment stattfinden kann. Räume in denen marginalisierte und überschriebene Stimmen und Erzählungen re/zentriert werden und wir gemeinsam lernen und ver_lernen können. Eine intersektionale und dekoloniale Perspektive ist für mich dabei zentral. Das heißt für mich daher auch, sich die historischen Dimensionen anzuschauen und zu fragen, was die geschichtliche Perspektive für unsere Analyse von heutigen gesellschaftlichen Verhältnissen bedeutet. In diesem Zusammenhang ist mir der Blick darauf, wie hegemoniale Narrative herausgefordert und durchbrochen werden können, sehr wichtig.
Einer unserer Leitfragen ist zudem: Wie können wir gemeinsam solidarische Strategien entwickeln, die zu einer Stärkung unseres gemeinsamen Handelns gegen Systeme der Marginalisierung und Unterdrückung beitragen? In der Auseinandersetzung und Bearbeitung unserer Themenschwerpunkte spielt das Prozesshafte und der Austausch eine große Rolle. Hierfür bildet natürlich der enge Kontakt und die Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Communities und deren Vereinen und Organisationen die Basis.
Teil des ndo-Netzwerkes zu sein und die damit einhergehende Vernetzung mit anderen BIPoC Vereinen und Organisationen hilft uns sehr, mit den wiederkehrenden Herausforderungen, mit denen wir uns als (BIPoC Verein) konfrontiert sehen, umzugehen. Das Netzwerk bietet die Möglichkeit, Ressourcen und Informationen zu Teilen, bestimmten Stimmen und Perspektiven eine größere Reichweite zu verschaffen und es stellt einen Rahmen her, in dem wir virtuell und reell (bspw. bei dem jährlichen ndo-BUKO) zusammenkommen, uns austauschen, gegenseitig stärken und darauf aufbauend gemeinsam handeln können.
Wir waren ja alle sehr geschockt, als es hieß, Ihr würdet nicht mehr weitergefördert werden. Das hat sich ja zum Glück aller verändert. Wie geht es jetzt bei Euch weiter?
Wir sind sehr dankbar, dass wir jetzt eine Projektförderung von der LADS (Berliner Landesstelle für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung) erhalten und somit unsere Arbeit weiterführen können. Diese „Krise“ hatte aber auch etwas Gutes. Wir haben dadurch sehr direkt gemerkt, was Community-Solidarität bedeuten kann. Wir haben unglaublich viele stärkende Rückmeldungen und Solidarität von Organisationen und Einzelpersonen erhalten, die nicht zuletzt auch dazu geführt haben, dass wir nun weitermachen können.
Ab diesem Jahr werden wir, auch ein wenig aus dieser Erfahrung heraus, einen noch stärkeren Fokus auf das Thema Communities Solidarisch Denken legen. Mit dieser Fokussierung möchten wir Obengenanntes weiterführen und zusätzlich dazu noch intensiver der Frage nachgehen: Welche Rahmenbedingungen sind für erfolgreiche Bündnispolitiken und Allianzen nötig? Um dies beantworten zu können, müssen zunächst auch bestimmte Repräsentationsmechanismen und Un_Sichtbarkeiten kritisch hinterfragt werden. Das heißt zu schauen, welche Perspektiven und Erzählungen wahrgenommen und welche verschwiegen oder überschrieben werden. Leerstellen ausfindig zu machen und gemeinsam Wege zu finden, diese zu benennen und zu zentrieren.
Die Bearbeitung dieser Themen und Fragen wird, wie auch in den letzten Jahren, in Form eines Jahresprogramms, bestehend aus Workshops, Veranstaltungen, Lesekreisen, Fortbildungen und ähnlichem stattfinden. Diese werden ab Mai losgehen. Zusätzlich dazu führen wir über das Jahr hinweg Fokusgruppengespräche zu dem Thema Communities Solidarisch Denken durch und möchten Ende des Jahres dazu eine kleine Broschüre herausgeben.
Näheres dazu: www.xartsplitta.net/communities-solidarisch-denken/
Was für einen Einfluss hat die momentane “Corona-Lage” auf Eure Arbeit?
Wie bei sehr vielen anderen auch müssen wir jetzt kreativ sein. Wir sind momentan dabei zu überlegen, wie wir unsere Angebote auf Online umstellen können und arbeiten nun sehr viel mit Telefon- und Skypekonferenzen. Wir sind uns aber durch diesen Zwang, sich mit Online-Optionen zu beschäftigen, auch der Potenziale dessen bewusst geworden. Bspw. bieten wir auch in diesem Jahr wieder einen DGS 1 Kurs an. Dieser wird sehr wahrscheinlich nun online stattfinden.
Bei den bisherigen Anmeldungen zum Kurs gab es bereits zwei Personen, die nicht aus Berlin kommen und/oder nicht so einfach das Haus verlassen können und nur online teilnehmen können. D.h. mit Onlineangeboten können wir bestimmte Hürden und Barrieren auch reduzieren und z.B. auch Personen erreichen, die eher isoliert, bspw. auf dem Land, leben und wenig Zugang zu solchen Angeboten haben. Wir überlegen daher unabhängig von Covid-19 ab jetzt immer mindestens ein Online-Angebot in unser Programm zu integrieren. Natürlich setzt die Online-Teilnahme auch den Zugang zum Internet voraus. Dass dies nicht immer gegeben ist, ist uns ebenfalls bewusst.
Möchtest Du uns auch von Deiner Rolle als Mutter erzählen? Welchen Herausforderungen steht Ihr als Familie gegenüber? Und hast Du Tipps für andere Familien?
Die Kinder sind den ganzen Tag zu Hause und haben sehr viel weniger Möglichkeiten, ihre Freund*innen zu sehen. Das ist schon eine Herausforderung. Hinzu kommt, dass ich trotzdem weiter arbeiten muss und unser älteres Kind nun von uns zu Hause unterrichtet werden muss. Ich habe das Glück, durch meinen Partner große Unterstützung zu bekommen. Ohne diese Unterstützung wäre es für mich nicht möglich, weiterzuarbeiten. Viele haben nicht dieses Glück, bspw. alleinerziehende Eltern oder Familien, in denen beide Elternteile sehr viel arbeiten müssen. Oder auch Familien, in denen das Home Schooling nicht so einfach funktioniert wegen fehlenden Ressourcen o.ä. Wir sind da schon sehr privilegiert.
Meine Tipps für andere Familien wären:
- Nicht stressen lassen (auch, wenn das natürlich nicht immer so einfach ist, das merke ich an mir selbst immer wieder).
- Die vielen Online Tools und Angebote, die jetzt eine Zeitlang kostenlos zur Verfügung stehen, ausprobieren.
- Viel rausgehen und die Sonne genießen – soweit es geht. Mit den Kindern zusammen an der frischen Luft bewegen. Das ist sowohl für die Eltern als auch für die Kinder gut!
- Sich (ggf. gemeinsam mit den Kindern) einen Tages- oder sogar Wochenablauf überlegen und diesen mit den Kindern aufschreiben/aufmalen.
- Sich mit anderen Eltern austauschen.
- Den Kindern immer wieder erklären, warum die Situation jetzt so ist, wie sie ist und dass es für alle Beteiligten nicht einfach ist.
- Schauen, dass trotz allem, Ruhepausen in den Alltag für alle eingeplant werden.
Viel länger möchte ich Dich auch wirklich nicht mehr aufhalten, aber eines würde ich gerne noch wissen: Wir fragen Menschen gerne, ob es Redewendungen oder Sprüche in einer anderen Sprache gibt, die so im Deutschen nicht existieren oder funktionieren. Was ist Dein Liebling und wie würdest Du ihn übersetzen?
Dazu fällt mir gerade nur das Kiswahili Wort „Pole“ ein. „Pole“ wird verwendet um Empathie auszudrücken und würde ich mit „Ich fühle mit Dir“ übersetzen. Was mir daran gefällt ist, dass es eine ganz andere Konnotation hat als bspw. „Es tut mir Leid“, weil es noch stärker die Anteilnahme mit und die Verbindung zu deinem Mitmenschen verdeutlicht. Die Fähigkeit, Empathie zu empfinden, empathisch zu sein, ist für mich etwas sehr Wichtiges. Die gilt für mich übrigens auch, wenn wir über Wissensproduktion und die Validierung von in BIPoC Communities entstandenem Wissen sprechen. Patricia Hill Collins, eine der Vordenker*innen des Black Feminist Thought sagt dazu im Bezug auf Wissensvalidierung im Kontext von Schwarzem Feministischem Wissen in ihrem 1990 erschienenen Buch Black Feminist Thought: Knowledge, Consciousness and the Politics of Empowerment:
„[…] the ethic of caring suggests that personal expressiveness, emotions, and empathy are central to the knowledge validation process.“
Ich finde diese Aussage enthält sehr viel, von dem wir lernen können. Auch wenn es um unseren Umgang miteinander und über verschiedene Communities hinweg geht.
Danke für das Interview!