Was bedeutet die Woche gegen Antimuslimischen Rassismus für dich?
Ich finde es sehr wichtig sich in dieser Woche genau um die Menschen zu kümmern, die Antimuslimischen Rassismus erfahren. Ich habe im Rahmen von MOSAIQ Hamburg einen Kreativ-Workshop für muslimische Jugendliche – als Safe Space – veranstaltet. Dort haben wir Texte über unsere Lebensrealitäten geschrieben. Ich finde Sichtbarmachung sehr wichtig, aber noch wichtiger finde ich, dass wir in dieser Woche etwas für uns tun und in diesem Fall den Jugendlichen Stimmen geben und Erfahrungen austauschen. Denn am Ende ist Antimuslimischer Rassismus ja unsere Lebensrealität.
Du engagierst dich bei unserem Netzwerkmitglied MOSAIQ Hamburg e.V., was genau macht ihr?
Wir sind ein junges antirassistisches Netzwerk in Hamburg, das lokal und überwiegend ehrenamtlich organisiert wird. Wir sind als Nachfolgeprojekt der Jungen Islam Konferenz entstanden, überwiegend selbstorganisiert von Jugendlichen und von der BASFI gefördert. Unser Netzwerk besteht aus Jugendlichen im Alter von 16-24 Jahren, für diese bieten wir viele Workshops, Kreativwerkstätten und weitere Veranstaltungen an. Einmal im Jahr gibt es eine Kickoff Veranstaltung mit einem bestimmten Motto, wenn man daran teilgenommen hat, ist man Teil des Netzwerks und kann dann am MOSAIQ Programm teilnehmen. Dadurch entstehen meist durch ehemalige Teilnehmer*innen neue Arbeitsgruppen. MOSAIQ ist ein sehr dynamisches Netzwerk, immer abhängig davon wie aktiv die Menschen sind und welche Interessen sie haben. Ich selbst bin auch ehemalige Teilnehmerin 2017 und engagiere mich seitdem als Teammitglied.
Du engagierst dich persönlich vor allem auch über Poesie gegen Rassismus – Was bedeutet deine literarische Arbeit für dich?
Ich habe mit 16 angefangen zu schreiben, ich war schon immer begeistert von Hip Hop und Rap, von Texten, konnte Lieder auswendig und war viel auf Youtube unterwegs. Über die Def Poetry Jam habe ich mich das erste Mal mit Spoken Word auseinandergesetzt und bin danach auf einem Spoken Word Workshop der Muslimischen Jugend Deutschland (MJD e.V.) gewesen. Da habe ich gemerkt, dass ich das richtig gut kann, zu schreiben und wie cool es ist, das Geschriebene dann auch zu performen. Irgendwie hat es sich so ergeben, dass ich immer über Dinge geschrieben habe, die mich persönlich beschäftigen, dh. viel gesellschaftskritisches, Kritik an Strukturen, Schule und so weiter. Aber natürlich auch über Rassismus.
„Wenn meine Augen blau wären“ heißt ein bekanntes Gedicht von dir aus dem Jahr 2018. Was hat es mit dem Titel auf sich?
Das Gedicht ist für mich ein bisschen wie eine Reise in mein jugendliches Ich, das sich fragt, was wäre, wenn ich eine andere Hautfarbe hätte. Ich beschreibe aber in dem Gedicht wie die Realität für mich ist – mit nicht-blauen Augen eben.
Wir sprechen von Intersektionalität, wenn sich mehrere Diskriminierungsformen überlagern und affizieren. Du bist Schwarz, weiblich und muslimischen Glaubens, welche Herausforderungen bringt das in unserer Gesellschaft mit sich?
Bis vor einigen Jahren war mir Intersektionalität auch noch nicht wirklich ein Begriff. Mittlerweile beschäftige ich mich aber schon damit, was es mit mir macht, dass ich auf verschiedene Arten und mehrfach Diskriminierung erfahre – ich habe es noch nicht ganz herausgefunden. Aber klar ist, dass man von mehreren Seiten diskriminiert wird und zwar egal in welchem Raum man sich befindet, irgendwas passt irgendwie immer nicht. Man ist ein bisschen wie ein Zebra, weil man nicht zu 100% irgendwo dazu gehört. Ich finde, dass macht aber auch unsere Generation aus: in der Diaspora oder hier geborene, muslimische Jugendliche in der dritten Generation bewegen sich oft zwischen den Kulturen und in unterschiedlichen Gruppen und sind dadurch eine Art Chamaläeon.
Das bedeutet aber eben auch, dass man überall nicht wirklich safe ist. Ich habe auch viele Freunde, die viel dunklere Haut als ich haben und zum Beispiel innerhalb der muslimischen Community antischwarzen Rassismus in größerem Ausmaß erfahren als ich.
Hast du das Gefühl, dass Politik und Gesellschaft Antimuslimischen Rassismus ernst nehmen?
Ich wünsche mir mehr Solidarität von Nicht-Betroffenen und zwar die richtige Solidarität. Das bedeutet, dass Raum gemacht wird für die Geschichten von betroffenen Personen und zwar auf ganz vielen Ebenen. Ich wünsche mir, dass Nicht-Betroffene Menschen einen Schritt auf uns Betroffene zugehen, nicht umgekehrt – was muss man denn noch alles machen, ich kann ja nicht zum 500. Mal von meinen Erfahrungen erzählen, es kann nicht zum 500. Mal ein Mensch sterben, bis etwas passiert. Es tut sich schon etwas, aber Themen finden bisher auf gesellschaftlicher und institutioneller Ebene noch viel zu wenig Gehör. Wir brauchen mehr Präsenz in den Medien und dazu gehört dann eben auch, dass man die richtigen Menschen sprechen lässt und ihnen zuhört und hoffentlich auch voneinander lernt.
Als Schwarze Muslima hast du Zugang zu verschiedenen Communities – Was könnte sich in Sachen Solidarität in der Schwarzen und in muslimischen Communities verbessern?
Es wäre gerade in der muslimischen Community wichtig mehr Schwarze Perspektiven zu haben oder Schwarze Menschen mehr als Teil der muslimischen Community anzusehen. Es sollte nicht sein, dass Fragezeichen aufkommen, wenn eine Schwarze Person eine Moschée betritt. Schwarze Muslimische Geschichte muss viel mehr sichtbar gemacht werden. In Deutschland sind die muslimischen Communities oft stark nach Nationalitäten getrennt, aber Islam in Deutschland muss größer gedacht werden als nur arabisch und türkisch beispielsweise.
In unserer Generation und bei meiner Arbeit in der Community denken wir das jetzt schon größer und beziehen auch andere Perspektiven mit ein.
Liebe Amira, vielen Dank für das Interview!