Die Vorbehalte gegenüber Muslim*innen sind erschreckend hoch. Rund die Hälfte der Menschen in Deutschland stimmt der Aussage zu: “durch die vielen Muslime hier fühle ich mich manchmal wie ein Fremder im eigenen Land” – das ist ein Ergebnis der Leipziger Autoritarismus-Studie von 2020. Für das selbe Jahr erfasste das Bundesinnenministerium (BMI) bundesweit 1.026 islamfeindliche Straftaten – acht Prozent mehr als in 2019.
Von der rassistischen Diskriminierung sind muslimische Frauen in besonderer Weise betroffen. Rund 64 Prozent der Meldungen, die 2020 beim Netzwerk gegen Diskriminierung und Islamfeindlichkeit (Inssan e.V.) eingingen, kamen von Frauen[1]. Im Alltag angegriffen werden vor allem sichtbare Muslim*innen. „Antimuslimischer Rassismus ist in hohem Maße vergeschlechtlicht. Frauen, die ein Kopftuch tragen, werden von verschiedenen Seiten als schwach und unterdrückt konstruiert. Das macht verbale und körperliche Angriffe auf sie wahrscheinlicher. Täter*innen gehen davon aus, dass sich diese Frauen nicht wehren“, sagt May Zeidani Yufany, Sprecherin der Berlin Muslim Feminists und Mitglied des Vorstands der neuen deutschen organisationen.
Die Anti-Kopftuch-Front ist breit aufgestellt. Selbst der Staat grenzt sichtbare Muslim*innen aus und beraubt sie ihrer fundamentalen Grundrechte, wie dem Grundrecht auf Berufsfreiheit. Jüngstes Beispiel dafür ist das „Gesetz zur Regelung des Erscheinungsbilds von Beamtinnen und Beamten sowie zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften“, das die Große Koalition mit den Stimmen der AfD jüngst durchbrachte. Das Gesetz ermöglicht es, religiöse Symbole bundesweit im Öffentlichen Dienst zu verbieten, wenn sie geeignet sind eine „neutrale“ Amtsausführung zu gefährden. Diese Regelung öffnet Tor und Tür für Diskriminierungen aufgrund einer rassistischen Zuschreibung. Dennoch stimmten FDP und Grüne nicht gegen dieses Gesetz – sie enthielten sich. Einzig Die Linke stimmte dagegen.
Wenn es um die Rechte von kopftuchtragenden Frauen geht, werden die liberale Mitte der Gesellschaft und viele Feminist*innen auffallend leise. „Gerade der Arbeitsmarkt und die damit verbundene finanzielle Unabhängigkeit sind wichtige Themen in traditionell feministischen Debatten. Es ist schon erstaunlich, dass viele weiße Feminist*innen es nicht als ihre Aufgabe sehen, sich an die Seite von kopftuchtragenden Frauen zu stellen, wenn es um ihren expliziten Ausschluss aus bestimmten Positionen geht. Es gibt zwar immer mehr weiße Feminist*innen, die verstehen, dass Feminismus kein Feminismus ist, wenn er nicht intersektional ist – aber es gibt noch viel zu tun“, so May Zeidani Yufany.
1. Juli: Tag gegen Antimuslimischen Rassismus: Am 1. Juli 2009 wurde Marwa El-Sherbini während einer Verhandlung im Dresdner Landgericht aus rassistischen Motiven ermordet. Seitdem haben NGOs den 1. Juli zum internationalen Tag gegen Antimuslimischen Rassismus erklärt.
[1] Quelle: Noch nicht veröffentlichte Zahlen aus der Pressekonferenz von Inssan e.V. am 16.03.2021. Kontakt: www.inssan.de